So eine Chorprobe ist doch etwas Schönes:
Mann, bzw. Frau, trifft nette Menschen, trällert  gemeinsam ein paar Lieder, bekommt zum Geburtstag jedes Jahr ein Ständchen und trinkt ab und zu ein Gläschen Wein oder ein Bier zum Abschluß miteinander. Dann geht man meistens seiner Wege, in der Gewissheit, daß man sich in einer Woche wieder sieht und miteinander ein wundervolles Hobby betreibt. 

Hinzu kommen noch verschiedene Termine, bei denen man sich so richtig schick in Schale werfen kann und auf der Bühne präsentiert, was man so alles kann. 

Alles in allem ist Chorsingen für so viele Dinge im Leben gut. Längst erwiesen ist die positive Wirkung auf die Gesundheit und die Psyche.

Damit so eine Chorprobe und alles, was daran hängt aber auch etwas wird, ist vor allem ein Mensch wichtig. Nämlich der, der vorne steht, regelmäßig ins Schwitzen kommt und dem buchstäblich regelmäßig die Zeit davon rennt: der Chorleiter! In meinem Fall die Chorleiterin.

Seit etwas mehr als einem Jahr bin ich nun Chorleiterin in meinem Chor Klangvoll in Ailingen. Angefangen habe ich als blutige Anfängerin, habe gerade einmal die C2-Ausbildung des Chorverbands hinter mir und Null Erfahrung als Chorleiter. Nur jahrelange Erfahrung als Sängerin im Alt. Aber mal ehrlich, wer bekommt als Chorsänger schon mit, was für Arbeit hinter einer einzelnen Chorprobe steckt? Man geht hin, bekommt die Noten für das zu probende Lied und geht dann wieder seiner Wege. Schön, so soll es sein!

Ich bin froh, daß mein Chor mich praktisch als “Katze im Sack” genommen hat, sonst wäre wahrscheinlich alles anders gekommen. Aber ich fange hier am Besten mal von vorne an:

Der Chor Klangvoll suchte relativ verzweifelt eine Nachfolgerin für die Chorleiterin, deren Abschied schon fest stand. Natürlich wollten alle beim gewohnten Donnerstagstermin bleiben, was bei der Suche oft Probleme macht. Ein paar Sängerinnen kannten mich schon vorher und wußten, daß ich während meiner Zeit im Sängerbund Friedrichshafen die Grundausbildung C1 beim Oberschwäbischen Chorverband und die C2-Ausbildung beim Schwäbischen Chorberband gemacht habe, da ich immer wieder mal als Vizedirigentin aushelfen durfte. Also fragten sie mich, ob ich nicht Lust hätte, den Chor zu übernehmen. Erst einmal schossen mir tausend Gründe durch den Kopf, warum ich nein sagen sollte, Fluchtreflex oder so ähnlich. Vor allem meine miesen Qualitäten am Klavier… Dann machte sich aber so eine kleine Stimme bemerkbar, die immer lauter “warum eigentlich nicht” sagte. 

Nun ist es ja üblich, daß ein Anwärter erst mal ein Probedirigat abliefert, damit der ganze Chor sieht, ob man zueinander passt. Für erfahrene Chorleiter sicher kein Problem, für mich eine schreckliche, schlaflos machende Vorstellung. Nun kam es aber so, daß der Termin fürs Probedirigat abgesagt werden musste und hinterher keine Zeit mehr dafür war. Also hat der Chor die “Katze im Sack” gekauft. 

Wochenlang hatte ich geübt und mich vorbereitet, kaum noch geschlafen, weil ich so nervös war und auf einmal war sie da: die erste Chorprobe.

So ein Chaos hatte ich mir eigentlich nicht vorgenommen, wie das, was dann folgte. Aber gut, da mußte ich durch – und der Chor auch. Geduldig haben sie alles ertragen, ab und zu verwirrte Blicke getauscht und gewartet, bis es vorbei war. Wäre das mein Probedirigat gewesen, hätte ich die Chorleiterkarriere an den Nagel gehängt, bevor sie richtig angefangen hat.

Die Woche drauf war ich wieder da, selbe Zeit, selber Ort, ähnliche Katastrophe. Ich muß dazu sagen, daß ich eigentlich noch nie gerne vorne gestanden bin und mich auch in der Schule vor jedem Referat gedrückt habe (das war damals noch nicht Pflicht). 

Mein Glück war aber, daß mein Chor wirklich ein sehr lieber Chor ist. Alle wußten von Anfang an, daß ich absolute Anfängerin bin und es am Anfang problematisch werden würde. Sie haben mir die Zeit gegeben, die ich gebraucht habe. Ab und zu bekam ich ein paar aufmunternde Worte zu hören und manchmal auch hilfreiche Tipps, was ich anders machen könnte. 

Was soll ich sagen, mit jeder Probe wurde es besser, die Aufregung ließ nach und irgendwann fing es an, richtig Spaß zu machen. Es machte inzwischen so viel Spaß, daß ich mich auf die Chorproben freute und nicht mehr Angst davor haben mußte.

Dann kamen die Vorbereitungen auf das erste Konzert: die Aufregung war wieder da, die Zeit war viel zu knapp, aber wir haben es geschafft. Das Konzert war ein voller Erfolg und alle waren zufrieden. Spätestens jetzt hatte ich die Kurve gekriegt und durfte mit stolz sagen: Ich bin Chorleiterin vom Chor Klangvoll und es macht riesig Spaß! 

Außerdem stecke ich gerade mitten in der C3-Ausbildung und lerne immer mehr dazu. Man lernt ja eh nie aus!

Das Fazit der Geschichte ist: Jeder Anfänger ist auf die eine oder andere Art nervös oder sogar ängstlich, nicht jeder schafft es dann, zum Beispiel beim Probedirigat zu glänzen. Bitte gebt den Anfängern eine Chance!

Wer direkt nach der Ausbildung einen Profi erwartet, irrt sich gewaltig. Die Chorleiterseminare der Chorverbände legen die Grundlagen und geben wichtiges Know-How, die Übung und die Erfahrung kommen jedoch erst dann, wenn man einen Chor leiten darf.

 Also liebe Chöre, seid mutig und traut euch, einem Anfänger zu trauen! Alles was am Anfang zählt sind Geduld, Sympathie und Vertrauen. Der Rest kommt mit der Zeit!

Mein Chor Klangvoll

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